Das chinesische Neujahr ist der bedeutendste Feiertag für alle Chinesen, aber auch für andere asiatische Völker. Wie an Silvester im Westen wird das Neujahrsfest groß gefeiert, und mit einem gewaltigen Aufgebot an Feuerwerkskörpern willkommen geheißen. Am Tag vor Silvester beginnen die letzten Vorbereitungen und viele Menschen machen sich schon auf den Weg zur Familie oder Schwiegerfamilie.
Am letzten Tag des Jahres wird dann ein festliches Abendessen in der Familie vorbereitet und die Familienmitglieder sitzen lange fröhlich essend und trinkend zusammen. Auch am Neujahrstag wird mit Verwandten oder Freunden mit gutem Essen gefeiert. Einem alten Brauch folgend kleben die Menschen in Taiwan auch heute noch zu Neujahr auf rotes Papier gepinselte “Frühlingsreime“ um ihre Türpfosten oder auch an die Türen von Zimmern und Büroräumen. Rot ist in China eine Farbe des Glücks.
Das chinesische Neujahr wird auch als eine Gelegenheit genutzt, um sich neu einzukleiden oder alte Schulden zu begleichen. Es ist ein Familienfest, bei dem nicht nur alle von viel gutem Essen profitieren, sondern besonders auch die Kinder, Ekel, Neffen und Nichten, die von den Erwachsenen kleine rote Umschläge (hong bao) mit Geld erhalten.
Früher gab es zum Jahresende einen besonderen Brauch. Arbeitgeber mussten ihre Angestellten zu einem Essen einladen bei dem ein gekochtes Huhn mit Kopf serviert wurde. Wenn das Huhn auf den Tisch gestellt wurde, und sein Kopf wies auf eine bestimmte Person, dann war dies als Zeichen zu verstehen, dass der Vorgesetzte unzufrieden war und nahe legen wollte, die betreffende Person solle sich nach einem anderen Arbeitsplatz umsehen. Wurde dagegen bei dem Essen ein gekochtes Huhn ohne Kopf serviert, dann konnten alle Mitarbeiter entspannt und voller Tatkraft im Bewusstsein, ihr Einsatz werde geschätzt, im neuen Jahr ihre Arbeit wieder aufnehmen. Was von diesem alten Brauch heute noch geblieben ist, ist nur die Einladung selbst. Für Kündigungen gibt es heute gesetzliche Regelungen. Ein Hühnerkopf auf dem Tisch genügt nicht mehr, um einen Mitarbeiter zur Kündigung zu bewegen.
Was die Bräuche hinsichtlich des Essens angeht, gibt es viele sehr unterschiedliche, was sich dann auch in der Festtafel zu Neujahr mit vielen Gerichten zeigt. Fisch zum Beispiel spielt eine wichtige Rolle: Der Laut für “Fisch“ (Yü) klingt gleich wie der für “Überfluss“, ebenfalls Yü, was auch als Reichtum gedeutet wird. Früher wünschte man beim Essen zu Neujahr den Menschen für das kommende Jahr eine gute Ernte, die ihre Existenz sichern sollte. Heute darf bei einem Neujahrsessen der Fisch nicht fehlen, denn alle Teilnehmer am Essen sollen im kommenden Jahr mit Wohlstand gesegnet sein.
Auch Süßigkeiten spielen zu Neujahr eine wichtige Rolle, denn, so sagt der Volksglaube, hat man viel davon, wird auch das Einkommen im neuen Jahr versüßt werden. Beliebt sind in Taiwan Milchbonbons mit Lotussamen, getrocknete Pflaumen und alle Arten von Nüssen sowie die Neujahrskuchen aus klebrigem Reismehl. Auch andere Speisen zum Neujahrsfest werden gereicht, weil sie als Glückssymbole gelten: Knoblauchzwiebeln symbolisieren “Dauerhaftigkeit“, weiße Rüben stehen für ein “gutes Omen“ und Fisch- oder Fleischbällchen bedeuten “sich wiedersehen“. Die chinesischen Maultaschen dürfen auf gar keinen Fall fehlen, weil ihre Form an Goldbarren erinnert.
Auch Beten und die Ehrerbietung an die Ahnen am Familienaltar gehören zu den Ritualen an und um Neujahr. In Taipeh beten die Menschen zum Beispiel im Xiahai City God Temple zu Chenghuang, dem Stadtgott, zu Lady Chenghuang, der Frau des Stadtgottes und zu Cupido, dem chinesischen Liebesgott. Chenghuang soll den Menschen zu einem Leben in Wohlstand verhelfen, seine Frau soll Eheleuten ein besseres beiderseitiges Verständnis und eine glückliche Beziehung bescheren, während der chinesische Liebesgott, wie sollte es anders sein, die einsamen Herzen zu einander bringen wird.
Die Festlichkeiten zum Neujahr ziehen sich über fünf Tage hin. Am zweiten Tag besuchen die verheirateten Töchter ihre Eltern. Am dritten Tag sollen laut einer reizenden Legende die Mäuse ihre Töchter unter die Haube bringen, deshalb soll man an diesem Tag rechtzeitig schlafen gehen, damit die Mäuse in Ruhe ihre Hochzeitszeremonie begehen können. Am vierten Tag werden dann Opfergaben in Form von Speisen für den Küchengott auf den Altären dargeboten. Am fünften Tag werden die Opfergaben wieder entfernt und das Alltagsleben kehrt zurück.